„Die staatliche Vollkasko-Mentalität  können wir uns weder heute noch morgen leisten“, sagt WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk. Er fordert mehr Eigenverantwortung  und Leistungsanreize.
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Josef Herk: „Solidarität darf keine Einbahnstraße sein“

WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk über das Ende der Party, wenn’s um die 32-Stunden-Woche geht, und warum es neue Anreize für Vollzeitarbeit braucht.

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Aktualisiert am 30.04.2024

Der Tag der Arbeit steht vor der Tür und mit ihm eine hitzige Debatte, ob wir mehr oder weniger arbeiten sollen. Ihre Meinung?

Herk: Jeder kann Wünsche äußern, ob diese in der Realität umsetzbar sind, ist eine andere Frage. So sehe ich auch die Forderung nach einer 32-Stunden-Woche. Diese mag auf den ersten Blick vielleicht verlockend klingen, ist aber in vielerlei Hinsicht komplett realitätsfremd. Zumindest wenn wir unser Wohlstandsniveau und Sozialsystem in dieser Form aufrechterhalten wollen. Zu glauben, dass das staatliche Füllhorn unendlich ist, halte ich für einen selbst in der Politik weit verbreiteten und darum umso gefährlicheren Trugschluss. Fakt ist: Wir haben in den letzten Jahren viel von unserer Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Und irgendwann kommt der Punkt, wo die Party zu Ende ist und die Rechnung bezahlt werden muss. 

Also müssen wir über mehr Arbeit diskutieren? 

Herk: Wir müssen über mehr Leistung und die Bereitschaft dazu diskutieren! Wenn im Radio schon ab Dienstag das Wochenende herbeigesehnt wird oder Unternehmen wegen der enorm gestiegenen Arbeitskosten den Standort in Frage stellen müssen, dann läuft in unserem Land so einiges in die falsche Richtung – und das müssen wir korrigieren! Es kann nicht sein, dass 100 Euro Lohnerhöhung für einen Arbeitnehmer, der 3.000 Euro brutto verdient, den Betrieb unterm Strich 225 Euro kosten.  

Wie und was wollen Sie konkret korrigieren? 

Herk: Es braucht eine rigorose Entlastung des Faktors Arbeit, sowohl, was die Lohnnebenkosten betrifft, als auch bei dem, was den Menschen am Ende des Tages netto übrig bleibt. Darüber hinaus darf unser Steuersystem nicht weiter „Weniger-Arbeiten“ fördern. Folge davon ist nämlich eine Teilzeitquote auf Rekordniveau, damit muss Schluss sein. Unser System darf nicht länger die „Work-Life-Balance“ fördern, zumindest wenn man die Errungenschaften unseres Sozialsystems „Vollzeit“ nutzen will. Solidarität ist schließlich keine Einbahnstraße. Als WKO fordern wir darum zusätzliche Leistungsanreize, etwa in Form eines Vollzeitbonus, aber auch eine Ausweitung von steuerbegünstigten Überstunden oder mehr Anreize für ein längeres Arbeiten im Alter. 

Aber braucht es das alles jetzt angesichts steigender Arbeitslosenzahlen?

Herk: Ja, auf jeden Fall. Was wir jetzt am Arbeitsmarkt sehen, sind die Folgen einer konjunkturellen Schieflage, die nichts an den strukturellen Herausforderungen – Stichwort Demografie – ändern. Diese spüren unsere Betriebe deutlich. Innerhalb von nur 20 Jahren hat sich der Anteil der über 50-jährigen unselbständig Beschäftigten in der Steiermark von 69.000 auf 155.000 mehr als verdoppelt. Gleichzeitig gehen wir früher in Pension als noch in den 70er-Jahren. Gerade einmal ein Drittel der 60- bis 64-Jährigen arbeitet in Österreich, in Deutschland sind es fast doppelt so viele. Das kann so nicht funktionieren! Wir bauen eine Hypothek gegenüber unserer Jugend auf, die ich für absolut unverantwortlich halte. 

Wie soll oder kann dem entgegengewirkt werden? 

Herk: In einem ersten Schritt müssen wir das faktische Pensionsantrittsalter ans gesetzliche anpassen. Über kurz oder lang werden wir aber auch an einer Anpassung dieses Alters an die gestiegene Lebenserwartung nicht vorbeikommen. So ehrlich müssen wir den Menschen gegenüber sein.  

Themenwechsel: Keine Umfrage unter Betrieben, wo nicht Klagen über die zunehmende Bürokratielast laut werden. Herrscht in unserem Land eine Regulierungswut? 

Herk: So könnte man das sagen. Österreichs Bürokratie hat sich – mit freundlicher Unterstützung aus Brüssel – 61.000 Paragrafen und 38.000 Verordnungen einfallen lassen. Und die schränken unsere Unternehmen meistens immer noch ein bisschen mehr ein, als von der EU vorgegeben. Auch hier bräuchte es eine Kehrtwende: Schluss mit dieser Regulierungswut, wir brauchen mehr Eigenverantwortung. Da kann die Politik den Menschen ruhig mehr zutrauen.