
Strategie der EU-Kommission zur Spar- und Investitionsunion
EU-Kommission veröffentlicht die angekündigte neue Strategie zur Spar- und Investitionsunion (SIU)
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Die EU-Kommission hat heute, wie bereits angekündigt, eine Mitteilung über die Strategie zur Spar- und Investitionsunion (Savings and Investment Union, SIU) veröffentlicht. Unter dem Titel „Savings and Investment Union – A Strategy to Foster Citizen’s Wealth and Economic Competitiveness in the EU“ streicht die Mitteilung wesentliche Bereiche mit konkreten Maßnahmen hervor, die zur Verwirklichung der SIU beitragen sollen.
Die SIU zielt darauf ab, EU-Bürgern einen breiteren Zugang zu den Kapitalmärkten und bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen zu bieten. Gleichzeitig soll dadurch zur Finanzierung wichtiger Vorhaben und Bewältigung aktueller Herausforderungen beigetragen und Wirtschaftswachstum gefördert werden, insbesondere in Bereichen, die die EU als strategisch wichtig einstuft, wie technologische Innovation, Dekarbonisierung und Sicherheit. Der große Investitionsbedarf wurde im Draghi-Bericht auf zusätzliche 750–800 Mrd. EUR pro Jahr bis 2030 geschätzt.
Maria Luís Albuquerque, die zuständige Kommissarin für Finanzdienstleistungen und Spar- und Investitionsunion, strich in einer Pressekonferenz am 19. März die große Relevanz der SIU für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Europa hervor. Innerhalb der EU zu investieren, müsse die erste Wahl für europäische Bürger und Unternehmen werden. Dafür brauche es gemeinsame Anstrengungen von Gesetzgebern auf nationaler und europäischer Ebene sowie dem Privatsektor. Der Zeitdruck sei groß, um im internationalen Vergleich aufzuholen: „We don’t have the luxury of time anymore. We need action.”
Vier Säulen zur Mobilisierung des privaten Kapitals
Die folgenden vier Säulen sollen privates Kapital in der EU mobilisieren:
1. CITIZENS AND SAVINGS
- Europäisches Konzept für Spar- und Anlagekonten oder -produkte (bis Q3/25) Die Kommission plant bis zum 3. Quartal 2025 (legislative oder nichtlegislative) Maßnahmen zu verabschieden, um ein europäisches Konzept für Spar- und Anlagekonten oder -produkte auf der Grundlage bestehender bewährter Verfahren zu schaffen. Diese Maßnahmen werden von einer an die Mitgliedstaaten gerichteten Empfehlung zur steuerlichen Behandlung von Spar- und Anlagekonten begleitet. Die Kommission wird die Akzeptanz dieser Konten beobachten und regelmäßig über die Fortschritte berichten.
- Kleinanlegerstrategie Die Kommission beabsichtigt, eine Einigung zwischen Europäischen Parlament und Rat über die Kleinanlegerstrategie zu erleichtern. Die Kommission würde jedoch nicht zögern, den Vorschlag zurückzuziehen, wenn die Verhandlungen die angestrebten Ziele der Strategie nicht erreichen.
- Finanzbildung (bis Q3/25) Die Kommission wird bis zum 3. Quartal 2025 eine Strategie für finanzielle Allgemeinbildung verabschieden, um die Bürgerinnen und Bürger zu befähigen, zu sensibilisieren und ihre Beteiligung an den Kapitalmärkten zu erhöhen und so eine Kultur zu schaffen, die mehr auf Investitionen ausgerichtet ist. Die Strategie wird auch darauf abzielen, den Austausch bewährter Verfahren zwischen Mitgliedstaaten zu fördern und weitere Leitlinien für die Umsetzung der bestehenden Rahmen für Finanzkompetenz bereitzustellen.
- Zugang zu geeigneten Finanzprodukten für Kleinanleger Die Kommission wird unter anderem gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank (EIB)-Gruppe, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und nationalen Förderbanken prüfen, wie Möglichkeiten für Kleinanleger verbessert werden können, Zugang zu geeigneten Finanzprodukten zu erhalten, die es ihnen ermöglichen, zur Finanzierung der EU-Prioritäten beizutragen.
- Verfahren für auto-enrolment, Rentenverfolgungssysteme und Dashboards (bis Q4/25) Die Kommission wird bis zum 4. Quartal 2025 Empfehlungen zur Nutzung und zu bewährten Verfahren für die automatische Anmeldung, für Rentenverfolgungssysteme und Renten-Dashboards herausgeben, in denen bewährte Verfahren und Erfahrungen aus der gesamten EU dargelegt und die Entwicklung solcher Instrumente empfohlen werden.
- Altersvorsorge (bis Q4/25)
- Die Kommission wird bis zum 4. Quartal 2025 die bestehenden EU-Rahmenregelungen für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (Institutions for Occupational Retirement Provision, IORPs) und das Paneuropäische Private Pensionsprodukt (PEPP) mit dem Ziel überprüfen, die Beteiligung an Zusatzpensionen zu erhöhen, um ein angemessenes Einkommen im Ruhestand zu gewährleisten, und die Fähigkeit der Pensionsfonds zu verbessern, Ersparnisse der Haushalte in produktive und innovative Investitionen zu lenken.
2. INVESTMENTS AND FINANCING
- Equity-Investitionen von institutionellen Anlegern (bis Q4/25) Die Kommission wird bis zum 4. Quartal 2025 Maßnahmen ergreifen, um Equity-Investitionen von institutionellen Anlegern zu fördern. Um Equity-Investitionen von Versicherern zu erleichtern, wird die Kommission im delegierten Rechtsakt zu Solvency II die Kriterien für eine günstige aufsichtsrechtliche Behandlung langfristiger Equity-Investitionen festlegen. Für Banken wird die Kommission Leitlinien für die Inanspruchnahme der günstigen aufsichtsrechtlichen Behandlung von Investitionen im Rahmen von Legislativprogrammen herausgeben. Die Kommission wird erwägen, diese Behandlung auch für Versicherer im Rahmen des delegierten Rechtsakts zu Solvency II zu übernehmen. Für Pensionsfonds wird die Kommission klären, wie derartige Investitionen mit dem in den geltenden Rechtsvorschriften verankerten Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht (prudent person principle) in Einklang gebracht werden können. Parallel dazu plant die Kommission, weitere übermäßige Hindernisse für Equity-Investitionen durch institutionelle Anleger zu beseitigen.
- EuVECA-Verordnung (bis Q3/26) Die Kommission wird bis zum 3. Quartal 2026 die EuVECA-Verordnung überprüfen und aktualisieren, um dieses Label attraktiver zu machen, u. a. durch die Erweiterung des Umfangs der investierbaren Vermögenswerte und Strategien.
- Investitionen in Venture und Growth Capital Die Kommission wird mit der EIB-Gruppe und privaten Investoren zusammenarbeiten, um das Investitionsprogramm „Scaleup TechEU22“ umzusetzen. Die Kommission wird Möglichkeiten zur Unterstützung der Europäischen Tech-Champions-Initiative 2.0 (ETCI) prüfen, die vom Europäischen Investitionsfonds (EIF) bis 2026 ins Leben gerufen werden soll, und auch andere potenzielle Initiativen, die darauf abzielen, private Investitionen in Risiko- und Wachstumskapital zu mobilisieren, risikoreichere Innovationen zu unterstützen und zur europaweiten Integration der Kapitalmärkte beizutragen, werden eine besondere Rolle spielen müssen. Die Kommission ermutigt die EIB-Gruppe außerdem, geeignete Mechanismen zur Erleichterung von Ausstiegsmöglichkeiten für europäische Unternehmen zu prüfen.
- Nationale Steuerverfahren Die Kommission wird Maßnahmen ergreifen, um Unterschiede in den nationalen Steuerverfahren zu beseitigen, die zu Verwaltungsaufwand und Hindernissen für grenzüberschreitende Investitionen führen.
- Börsenzugang Bei der Umsetzung des Listing Acts wird die Kommission dafür sorgen, dass die in delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten festgelegten EU-Börsenzulassungsregeln einfach sind und der Aufwand so gering wie möglich gehalten wird, um die Liquidität und das Kapitalangebot für börsennotierte Unternehmen zu erhöhen und so die Attraktivität der EU-Börsenmärkte zu steigern.
- Vereinfachte exits von Investoren aus privaten Unternehmen (bis Q3/26) Die Kommission wird bis zum 3. Quartal 2026 Maßnahmen vorschlagen, um den Ausstieg von Investoren aus privaten Unternehmen zu unterstützen
- Verbriefung (Q2/25) Im Bereich der Verbriefung wird die Kommission im zweiten Quartal 2025 Vorschläge unterbreiten, die sich auf die Vereinfachung der Sorgfaltspflicht und der Transparenz sowie auf die Anpassung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen für Banken und Versicherer konzentrieren.
3. INTEGRATION AND SCALE
- “Kummerkasten“ (Q2/25) Die Kommission wird im zweiten Quartal 2025 einen speziellen Kanal einrichten, über den Marktteilnehmer über festgestellte Hindernisse im Binnenmarkt berichten können, und sie wird die Durchsetzungsmaßnahmen verstärken, um deren Beseitigung zu beschleunigen.
- Trading und Post-Trading-Infrastruktur (Q4/25) Um Hindernisse für stärker integrierte Trading und Post-Trading-Infrastruktur zu beseitigen, wird die Kommission im vierten Quartal 2025 ein Paket von Legislativvorschlägen vorlegen, das u. a. Vorschriften für CSDs, Financial Collateral und Settlement sowie für die Trading-Marktstruktur umfasst. Ziel ist es, Hindernisse für die grenzüberschreitende Tätigkeit weiter zu beseitigen, den Rechtsrahmen zu modernisieren, um neuen Technologien und Finanzentwicklungen Rechnung zu tragen und eine bessere Qualität der Ausführung und Kursbildung an den EU-Handelsplätzen zu gewährleisten, während gleichzeitig der Verwaltungsaufwand verringert und die Ersetzung von Richtlinien durch Verordnungen in Betracht gezogen wird.
- EU-authorised funds (Q4/25) Die Kommission wird im 4. Quartal 2025 Rechtsvorschriften zur Beseitigung verbleibender Hindernisse - auf nationaler oder EU-Ebene - für den Vertrieb von EU-authorised funds innerhalb der EU vorschlagen. Die Kommission wird auch Maßnahmen zum Abbau operativer Hindernisse für grenzüberschreitend tätige Gruppen vorschlagen, um die Tätigkeit von großen und spezialisierten Asset Managern zu vereinfachen und einen effizienteren Zugang zu Kunden und deren Betreuung zu gewährleisten.
- Shareholders Rights Directive (Q4/26) Die Kommission wird bis zum vierten Quartal 2026 die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Richtlinie über die Rechte von Aktionären (SRD) prüfen und in Erwägung ziehen.
4. EFFICIENT SUPERVISION IN THE SINGLE MARKET
- Simplification Die Kommission fordert die ESAs und die zuständigen nationalen Behörden auf, die derzeit verfügbaren Instrumente in vollem Umfang zu nutzen und die Simplification-Agenda, wie in der Mitteilung zur Vereinfachung dargelegt, umzusetzen.
- Stärkung aufsichtlicher Konvergenzinstrumente (Q4/25) Die Kommission wird im 4. Quartal 2025 Maßnahmen vorschlagen, um aufsichtliche Konvergenzinstrumente zu stärken und wirksamer zu machen.
- Übertragung bestimmter aufsichtlicher Aufgaben auf EU-Ebene (Q4/25) Die Kommission wird außerdem im vierten Quartal 2025 Vorschläge für eine einheitlichere Beaufsichtigung der Kapitalmärkte vorlegen, wie im Kompass zur Wettbewerbsfähigkeit dargelegt, unter anderem durch die Übertragung bestimmter Aufgaben auf die EU-Ebene.
Maßnahmen für den Bankensektor
Zudem sieht die Mitteilung Maßnahmen für den Bankensektor vor:
- CMDI (Crisis management and deposit insurance) und EDIS (European Deposit Insurance Scheme) Die Kommission fordert die Mitgesetzgeber auf, die Unzulänglichkeiten bei den Regelungen für den Umgang mit dem Ausfall mittelgroßer Banken zu beseitigen, indem sie sich auf ein ehrgeiziges Ergebnis bei den CMDI-Review-Verhandlungen einigen. Die Kommission sei bereit, diesen Prozess in vollem Umfang zu unterstützen. Darüber hinaus wird die Kommission entschlossene Schritte zur Weiterentwicklung der Bankenunion unternehmen, indem sie unter Berücksichtigung der bisherigen Diskussionen auf der Grundlage des Kommissionsvorschlags einen Weg für EDIS aufzeigt.
- Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Bankensektors (2026) Die Kommission wird im Jahr 2026 einen Bericht veröffentlichen, in dem die Gesamtsituation des Bankensystems im Binnenmarkt bewertet wird, einschließlich der Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit des Bankensektors.
- Monitoring Die Kommission bewertet weiterhin die Entwicklungen auf den Bankenmärkten, um eine rasche Reaktion zu gewährleisten, wenn die Finanzstabilität, der Binnenmarkt oder die internationale Wettbewerbsfähigkeit des EU-Bankensektors gefährdet sind.
Nächste Schritte
Erste legislative Maßnahmen sollen noch dieses Jahr von der Kommission vorgeschlagen werden, inkl. zu Spar- und Anlagekonten oder -produkte, europäische Aufsichtsbefugnisse, Verbriefung, Vorsorgebereich und Equity-Investitionen durch institutionelle Anleger. Die SIU-Strategie wird auch erhebliche Auswirkungen auf die laufenden Trilogverhandlungen zur Kleinanlegerstrategie (RIS) und CMDI-Review haben. Bis zum zweiten Quartal 2027 wird die EU eine Halbzeitbilanz der SIU veröffentlichen. Diese wird einen Überblick über den Gesamtfortschritt geben und die Beiträge aus der Öffentlichkeitsarbeit und dem Engagement widerspiegeln.