Portrait Ökonom Friedrich Schneider
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"Wenn die Rezession anhält, steigt der Pfusch"

Ökonom Friedrich Schneider über die Gründe zunehmender Schwarzarbeit, was die Politik dagegen tun müsste und warum die Wirtschaft vom Pfusch profitiert.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 10.04.2025

Wie berechnet man eigentlich das Ausmaß von Pfusch – also von etwas, das nirgends offiziell aufscheint und wo es auch keinen Automatismus gibt, dass nicht legal ausgegebenes Geld für Schwarzarbeit investiert oder doch gespart wird?

Man kann über die Menge des Bargelds, die durchschnittlichen Alltagskosten und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes einen „unerklärten Rest“ ermitteln und unter Berücksichtigung der üblichen Ursachen für Pfusch, wie sinkende Einkommen, steigende Preise, Steuerdruck etc., eine Zeitreihe erstellen. Das wird in skandinavischen Ländern aber zunehmend unmöglich, weil es dort kein Bargeld mehr gibt. Eine andere Methode basiert auf dem Wissen, wie viel illegale Beschäftigung es gibt. Dabei werden mit sehr aufwendigen Modellen Ursachen mit Indikatoren verknüpft. 

Wie hoch ist demnach der Anteil der Schattenwirtschaft in Österreich?

Er betrug im vergangenen Jahr 38,23 Milliarden Euro oder 7,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist gegenüber 2023 – damals betrug der Anteil 7,65 Prozent oder 33,27 Milliarden – eine deutliche Zunahme. Neben den Zuwächsen von 2022 und 2023 handelt es sich um den höchsten Anstieg seit 1998. Und auch im heurigen Jahr wird dieser Trend fortgeschrieben: Die Schattenwirtschaft wird um weitere 6,5 Prozent steigen und 8,1 Prozent des BIP betragen.

Worauf führen Sie diesen Boom beim Pfusch zurück?

Das Abschaffen der kalten Progression hat den Zuwachs zwar reduziert, die prognostizierte Rezession, aber auch die steigende Arbeitslosigkeit und die Budgetsparmaßnahmen – zum Beispiel der Subventionsabbau – erhöhen die Neigung, zu pfuschen, um Einkommensverluste zumindest zum Teil durch schwarze Einkommen zu kompensieren. So wird für 2025 in diesem Segment ein zusätzlicher Anstieg von 1,775 Milliarden Euro erwartet. 

Gelten diese Prognosen angesichts der aktuellen Verwerfungen überhaupt noch?

Wenn es zu noch dramatischeren Einbrüchen kommt, müsste man nachjustieren. Es ist tatsächlich hochdynamisch. Wenn die Rezession anhält, steigt der Pfusch.

Ein generelles Phänomen?

Ja. Zwischen 2005 und 2019 hat es eine kontinuierliche Abnahme der Schattenwirtschaft gegeben – mit Ausnahme der Krisenjahre 2009, 2014 und 2015. Im Jahr 2020 kam es dann aufgrund von Corona und einer schweren Rezession zu einem starken Anstieg. Und auch in den vergangenen beiden Krisenjahren gab es massive Zuwächse.

Wie sieht die Entwicklung in der Steiermark aus?

Der Pfusch nimmt auch hier seit 2019 kontinuierlich auf heuer 3,17 Milliarden Euro zu.

Welche Branchen sind besonders betroffen?

Das Baugewerbe und Handwerksbetriebe haben den größten Anteil. Allein in diesem Bereich wurden 2024 im Pfusch 15,89 Milliarden Euro umgesetzt. Dahinter rangieren sonstige Gewerbebetriebe und haushaltsnahe Dienstleistungen mit knapp sieben Milliarden Euro Umsatz. Die größten Verlierer sind der Staat durch entgangene Steuereinnahmen, die Sozialversicherungsträger durch fehlende Beiträge und die Unfall- und Krankenversicherungen durch erhöhte Kosten durch zusätzliche Unfälle.

Verdrängt der Pfusch die offizielle Wirtschaft?

Ja und nein. Die Hälfte der Firmen – jene, die ehrlich sind – wird geschädigt, die anderen, die beim Pfusch ein Auge zudrücken, gewinnen. Das im Pfusch verdiente Geld wird allerdings zu 85 Prozent in der offiziellen Wirtschaft ausgegeben. Das heißt, dass die Wirtschaft vom Pfusch auch profitiert. 

Was müsste aber von staatlicher Seite getan werden, um den Pfusch zu stoppen?

Konkret schlage ich die Wiedereinführung des Handwerkerbonus von 2.000 Euro pro Jahr und Haushalt und die Senkung der Lohnnebenkosten vor. Generell sind eine gute Konjunktur mit niedriger Arbeitslosigkeit und geringer Inflation Voraussetzungen für ein Sinken der Schattenwirtschaft. 

Es gibt in Österreich jährlich rund 8.000 gerichtlich eingeleitete Finanzstrafverfahren. Rein statistisch kommt es in 80 Prozent zu Verurteilungen und Geldstrafen. Sind das zu wenig Kontrollen?

Für mehr Kontrollen bräuchte es mehr Leute. Man kann, wenn es beispielsweise um Putztätigkeiten geht, nicht in jeden Haushalt einen Polizisten stellen.

Wie kann die Misswirtschaft dennoch eingedämmt werden?

Es geht um einen tatsächlichen Vollzug von Strafen. Sonst bleibt der Lerneffekt fraglich. Laut Befragung sehen zwei Drittel der Österreicher den Pfusch weiterhin als Kavaliersdelikt.