Kranker Mann zu Hause
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Krankenstände nehmen kräftig zu

Nicht nur der Grippewelle ist es geschuldet, dass die Zahl der Krankmeldungen ständig steigt. Immer öfter hegen Unternehmer Zweifel und befürchten Missbrauch. 

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Aktualisiert am 14.04.2025

Mit den wärmeren Temperaturen ist nun der Frühling ins Land gezogen. Das freut nicht nur Sonnenanbeter und Gartenfreunde, sondern schlägt sich auch positiv  in der Gesundheitsstatistik nieder: Denn auch der Höhepunkt der Grippewelle scheint nun überschritten. Anfang März hüteten noch fast 40.000 Steirer das Bett.  Atemwegserkrankungen wie Influenza, grippale Infekte und auch Corona zählen gemeinsam mit Muskel-Skelett-Erkrankungen zu den Hauptursachen für Krankenstände. Und die weisen seit Jahren einen eindeutigen Trend aus – nämlich nach oben, wie die Daten aus dem aktuellen WIFO-Fehlzeitenreport belegen. So waren zuletzt sieben von zehn unselbständig Beschäftigten krank – und das im Schnitt 2,3 Mal pro Jahr. Durchschnittlich verbrachten sie 15,4 Kalendertage im Krankenstand – und damit wieder einen halben Tag mehr als noch 2022. Spannend ist auch, dass es bei den Unter-30-Jährigen relativ mehr Krankenstandsfälle gibt als unter älteren Erwerbstätigen. Rechnet man alle Versicherten in die Statistik mit ein, waren es im Schnitt noch immer 1,7 Krankenstände pro Jahr. Und das verursacht eine wahre Kostenlawine. So hat das Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) in der WKO Steiermark errechnet, dass sich die Ausgaben dafür auf 1,467 Milliarden Euro belaufen.

Verdachtsfälle häufen sich 

„Wer tatsächlich krank ist, soll sich natürlich auskurieren, bis er wieder einsatzfähig ist“, will WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk nicht an den Errungenschaften des Sozialstaats rütteln. Doch was die Zahlen nicht auswerfen, ist die missbräuchliche Verwendung von Krankenständen. Immer wieder monieren Unternehmer, dass sie den – oft auch begründeten –  Verdacht hegen, ein Arbeitnehmer würde unter Vortäuschung einer Krankheit oder eines Unfalls der Arbeit fern bleiben. So häufen sich in der WKO Anfragen zu solchen Verdachtsfällen. Für Kopfschütteln sorgt etwa ein Fall, wo ein Chef Wind davon bekam, dass der Arbeitnehmer während seines Krankenstandes im Ausland ein Konzert besuchte. Die ÖGK wurde eingeschaltet, der Mann wurde bei der Kontrolle – wenig überraschend – nicht angetroffen. Bei der Vorladung zum Chefarzt erklärte er schließlich, er sei bei der Kontrolle mit dem Hund spazieren gewesen – und damit war die Sache vom Tisch. „Wie kann es sein, dass der Mitarbeiter mit so einer Ausrede durchkommt?“, schüttelt der Dienstgeber den Kopf.

Auf Nachfrage heißt es bei der ÖGK, dass Kontrollen gewissenhaft durchgeführt würden. Die Möglichkeiten der ÖGK bei den Kontrollen seien aber begrenzt, erklärt die Arbeitgebervertreterin in der ÖGK, Beatrice Erker. „Wenn ein Unternehmer einen konkreten Missbrauchverdacht hat, soll er unbedingt Beweise sammeln  – und bei Bedarf vorlegen.“ Wichtig sei auch, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter im Fall des Falles zur Rede stellen. „Den Mitarbeiter mit diesem Wissen  zu konfrontieren, kann wahre Wunder wirken – und hat Signalwirkung für die ganze Belegschaft“, rät Erker.   

Auch ein anderer Fall lässt im betroffenen Unternehmen die Wogen hochgehen. Dort wurde nämlich auf Aufforderung die Krankschreibung eines Dienstnehmers von einer Ärztin elf Tage rückwirkend ausgestellt. „Wie ist es möglich, dass durch solche nachträglichen leichtfertigen Krankschreibungen Kosten auf die Betriebe abgewälzt werden?“, versteht der betroffene Unternehmer die Welt nicht mehr.

„Grundsätzlich darf eine nachträgliche Krankschreibung nur einen Tag zurückliegen“, weiß Arbeitsrechtsexperte Dominik Fuchs vom WKO-Rechtsservice. Liege sie länger zurück, ist das nicht per se unwirksam, sondern sei wie ein Sachverständigen-Gutachten zu werten. „Und ist damit schwer zu widerlegen“, setzt er nach. Der Jurist im WKO-Rechtsservice wird immer wieder mit solchen Fällen konfrontiert. Prinzipiell gelte, dass sich ein Mitarbeiter immer sofort krankzumelden habe. „Auch eine rückwirkende Krankschreibung ersetzt diese Meldung nicht“, stellt er klar. Der Dienstgeber habe, so Fuchs, ab Tag eins das Recht, eine Krankenstandsbestätigung vom Dienstnehmer einzufordern. 

„Wir haben in Österreich eines der teuersten Gesundheitssys­teme der Welt. Ein System, das offensichtlich kränker und nicht gesünder macht“, kritisiert Herk.  Neben konkreten Reformen – nämlich einer Novellierung des Arbeitnehmerkrankenstandes – fordert Herk vor allem eins: „Dem Missbrauch muss ein Riegel vorgeschoben werden.“

Unternehmervertreter pochen auf eine Reform und fordern eine Novellierung des Arbeitnehmerkrankenstandes.   

Mit einem Fünf-Punkte-Reformplan in Sachen Krankenstand lässt die Wirtschaft aufhorchen. Konkret fordert WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk eine Entlastung der Unternehmen, „ohne dass dem Staat Zusatzkosten entstehen“. 

Im Detail sieht das Reformpapier vor, dass bei Freizeitunfällen den Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlungspflicht mehr treffen soll. Als Alternative könnten kostengünstige Selbstabsicherungslösungen über Versicherungen geschaffen werden. Weiters schlägt Herk vor, das Anwachsen des Urlaubsanspruchs in Zeiten des Krankenstands auszusetzen. „Das würde eine aus Arbeitgebersicht als ungerecht empfundene Doppelabgeltung verhindern.“Außerdem plädiert der WKO-Präsident dafür, den Entgeltfortzahlungsanspruch bei Langzeitkrankenständen mit Beginn des neuen Arbeitsjahres nicht wieder aufleben zu lassen, da bereits eine volle Entlohnung stattgefunden habe. Als weitere Maßnahme wird die Einführung eines Teilkrankenstands vorgeschlagen, sodass – je nach Krankheitsbild und Berufsbild – noch bestimmte Tätigkeiten am Arbeitsplatz verrichtet werden können. Nicht zuletzt pocht der Interessenvertreter auf einen gesetzlichen Überprüfungsanspruch bei Krankschreibungen, um zusätzliche Kontrollen zu ermöglichen.