
Schulterschluss der Sozialpartnerinnen für ein modernes Frauenbild
Wohin mangelnde Konsensfähigkeit führt, das haben die vergangenen Wochen deutlich gezeigt. Aus diesem Grund setzen die steirischen Sozialpartnerinnen zum heurigen Weltfrauentag ein starkes Zeichen: Ein gemeinsames Zehn-Punkte-Programm für ein modernes Frauenbild, für dessen Umsetzung man der Politik die Hände reicht.
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Seit Jahren – oder besser gesagt schon seit Jahrzehnten – wird die Gleichstellung von Mann und Frau forciert. Doch trotz vieler Verbesserungen ist man noch immer nicht am Ziel angelangt. Blickt man in die Führungsetagen vieler Betriebe, so sind diese nach wie vor oft sehr männlich dominiert, obwohl mittlerweile fast jedes zweite Unternehmen von einer Frau gegründet wird. Doch die Ungleichbehandlung reicht tiefer, die gläserne Decke gebe es in vielen Bereichen unserer Gesellschaft, kritisieren die steirischen Sozialpartnerinnen. Vor allem politische Vorstöße, wie jüngst die Forderung nach einer „Herdprämie“ werden als Schritt zurück abgelehnt. Aus diesem Grund wollen die Spitzenvertreterinnen von WKO, Arbeiterkammer, ÖGB und Landwirtschaftskammer zum heurigen Weltfrauentag auch ein „starkes Zeichen für ein modernes Frauenbild setzen“. Und das bewusst gemeinsam, denn die schwierigen Regierungsverhandlungen haben einmal mehr gezeigt wie wichtig der Konsens und ein „guter Kompromiss“ ist, der von vielen Seiten getragen wird. Folgende Punkte will man daher gemeinsam forcieren und reicht dafür auch der Politik die Hand:
- Frauen leisten auf unterschiedlichen Ebenen einen unverzichtbaren Beitrag in unserer Gesellschaft! Diese Leistung gilt es verstärkt sichtbar zu machen.
- Frauen haben sich über das ihnen angedachte geschlechtsspezifische Rollenbild hinausentwickelt! Diese Entwicklung sollte durch geeignete Maßnahmen, wie z.B. durch die Förderung digitaler und MINT-Kompetenzen von Mädchen und Frauen, weiter vorangetrieben werden.
- Frauen übernehmen Verantwortung! Sie sollten daher verstärkt zur Übernahme von Führungsaufgaben motiviert werden.
- Frauen brauchen verlässliche Partnerschaften! Eine partnerschaftliche Teilung der Care-Arbeit ist daher verstärkt zu fördern.
- Frauen benötigen eine zuverlässige, qualitätsvolle Kinderbetreuungsinfrastruktur vom Kleinkind bis zu Schulkind – und das flexibel, flächendeckend, leistbar und VIF-konform! Nur dadurch kann echte Wahlfreiheit gewährleistet werden.
- Frauen können die Pflege von Angehörigen nicht allein stemmen! Durch einen flächendeckenden Ausbau des Pflegeangebots könnte eine deutliche Entlastung erzielt werden.
- Frauen haben ein Recht auf finanzielle Unabhängigkeit! Die Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit gilt es daher gezielt zu unterstützen.
- Frauen sind wichtige Leistungsträgerinnen! Das sollte sich auch im Einkommen widerspiegeln.
- Frauen stecken öfter als Männer beruflich für ihre Familie zurück! Dafür sollten sie nicht im Alter bestraft werden. Es braucht daher geeignete Maßnahmen gegen die Altersarmut von Frauen.
- Frauen zieht es stärker als Männer in die Städte! Der ländliche Raum muss daher als Lebens- und Arbeitsmittelpunkt insbesondere für junge Frauen aufgewertet werden.
Zahlen, Daten, Fakten:
- Rund 47% aller rund 625.700 Erwerbstätigen in der Steiermark (ab einem Alter von 15 Jahre) sind Frauen. (Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2023)
- Die Erwerbstätigenquote von Frauen beläuft sich in der Steiermark auf 71,6% - höher als im Österreichschnitt (70,3%), aber deutlich hinter den Ergebnissen von Tirol und Salzburg (jeweils 74,2%). (Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2023)
- Die Teilzeitquote (Selbstzuordnung) beträgt in der Steiermark insgesamt 32,2%, nach Geschlecht liegt diese bei den Frauen bei 54,2% und bei den Männern bei 11,6%. (Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2023, Jahresdurchschnitt über alle Wochen)
- Der Zeitaufwand für unbezahlte Arbeit beläuft sich für Frauen in der Steiermark im Durchschnitt auf 4 Stunden und 4 Minuten pro Tag, für die steirischen Männer beziffert sich dieser vergleichsweise auf durchschnittlich 2 Stunden und 35 Minuten täglich. (Quelle: Statistik Austria, Zeitverwendung 2021/2022)
- Rund 49,4% der 65.105 Einzelunternehmen in der Steiermark sind in weiblicher Hand. 46,6% aller Einzelunternehmen (ohne selbständige Personenbetreuerinnen) werden von Frauen gegründet. 29,6% der steirischen Arbeitgeberbetriebe in der Rechtsform Einzelunternehmen werden von Frauen geführt und geben rund 11.900 Personen einen Arbeitsplatz. (Quelle: WKO Steiermark, Unternehmerservice und Regionen/Statistik)
- In puncto Kinderbetreuung rangiert die Steiermark weiterhin an den hinteren Rängen: Laut der Kindertagesheimstatistik 2023/2024 beziffert sich die erweiterte Besuchsquote (inkl. Tageseltern) in der Gruppe der 0-2-Jährigen auf 25% (vorletzte Stelle im Bundesländervergleich, knapp vor Oberösterreich mit 24,5%) und in der Gruppe der 3-5-Jährigen auf 90,4% (letzte Stelle). (Quelle: Statistik Austria, Kindertagesheimstatistik 2023/2024)
- Innerhalb der Steiermark zeigen sich regional deutliche Unterschiede in Bezug auf die Kinderbetreuung: Die erweiterten Besuchsquoten (inkl. Tageseltern) bei den 0-2-Jährigen liegen im Zentralraum deutlich über dem Steiermarkschnitt bei 32,1% (Graz) und 30,1% (Graz-Umgebung), in Murau und Murtal belaufen sich diese hingegen nur auf 17,0% zw. 16,6%. Auch die VIF-Kriterien werden regional sehr unterschiedlich erfüllt: In Graz liegt der Anteil der Kinder in VIF-konformen Einrichtungen sowohl bei den Kinderkrippen- als auch bei den Kindergartenkindern bei rund 60%, Bezirksschlusslicht bildet bei den 0-2-Jährigen Murau mit einem Anteil von lediglich 2,9% und in der Gruppe der 3-5-Jährigen das Murtal mit 12,4%. (Quelle: Statistik Austria, Kindertagesheimstatistik 2023/2024)
STATEMENTS
Gabi Lechner, Vizepräsidentin WKO Steiermark und Landesvorsitzende von „Frau in der Wirtschaft“: „Wir sind dem Ziel einer geschlechtergerechten Arbeitswelt in den vergangenen Jahren zwar etwas nähergekommen, haben es aber noch immer nicht erreicht. Im Gegenteil: In jüngster Zeit müssen wir sogar gegen Rückschritte ankämpfen. Besonders wichtig wäre ein Ausbau der frühkindlichen Betreuung und Bildung, speziell auch in Ferienzeiten und was generelle Nachmittagsbetreuung anbelangt. Denn nur wenn diese Rahmenbedingungen erfüllt sind, wird es uns gelingen, mehr Frauen in die Vollzeitarbeit zu bekommen und diese brauchen wir, wie der anhaltende Fachkräftemangel auch in Zeiten der Konjunkturkrise zeigt. Darüber hinaus müssen wir uns endlich dem Problem der Altersarmut vieler Frauen stellen. Hier braucht es mehr Mut zu grundlegenden Reformen, ich denke da vor allem an das Pensionssplitting-Modell.“
Sylvia Ippavitz, stellvertretende ÖGB-Landesfrauenvorsitzende und AK-Vizepräsidentin: „Es ist wirklich Zeit für ein modernes Frauenbild. Das fängt beim Geld an. Es ist eine Schande, dass auch im Jahr 2025 noch ein deutliches Geschlechtergefälle bei den Einkommen besteht. Die Ungerechtigkeit setzt sich leider bei den Pensionen fort und ist auch bei der Care-Arbeit eklatant. Eine partnerschaftliche Teilung der unbezahlten Arbeit muss von der Politik gefördert werden und muss auch für die Männer endlich selbstverständlich werden!“
Maria Pein, Vizepräsidentin Landwirtschaftskammer Steiermark: „Das Bild der Frau in der Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Es gibt viele Quereinsteigerinnen und Frauen, die nach unterschiedlichsten beruflichen Wegen wieder in die Landwirtschaft zurückkehren, weil sie mit und für die Natur und mit Tieren arbeiten wollen. Diese Bäuerinnen verkörpern ein sehr starkes Frauenbild. Sie sind bestens ausgebildet, selbstbewusst und aufgeschlossen und zeichnen sich durch starken Zusammenhalt und intensive Netzwerkarbeit aus. Für ihr Engagement bekommen sie auch breite Anerkennung. So sind etwa die so genannten „Hofheldinnen“ oder „Agrar- beziehungsweise Farmfluencerinnen“ heute weithin sichtbare Frauen, die eine wichtige Rolle in der Gesellschaft einnehmen. Und das nicht nur, was das Empowerment ihrer Berufskolleginnen angeht, sie sind in vielerlei Hinsicht Vorbilder und als solche in den Regionen sehr wertgeschätzt und auch in vielen anderen Bereichen, wie etwa Vereinen oder interessenspolitischen Organisationen, sehr gefragt. Wenn man bedenkt, dass im Jahr 2050 mehr als 70 Prozent der Menschen im urbanen Raum leben werden, kommt gerade diesen innovativen, engagierten und kommunikationsstarken Bäuerinnen eine besondere Aufgabe hinsichtlich Wissenstransfer und Bewusstseinsbildung für die Landwirtschaft zu.“
Bernadette Pöcheim, Leiterin Frauen & Gleichstellung in der AK Steiermark: „Für die Arbeiterkammer ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein zentrales Anliegen. Wesentlich dafür ist, dass ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen, welche den Bedürfnissen berufstätiger Eltern entsprechen. Es braucht ein Bundesrahmengesetz, welches die Öffnungszeitgen bzw. Schließzeiten verbindlich festlegt. Die Gemeinden müssen entsprechende finanzielle Ressourcen bekommen, um ausreichend Kinderbetreuungsplätze zu schaffen.“