
Unternehmerische Prophylaxe: Damit eine Krise nicht zum Scheitern führt!
Unternehmerische Krisen sind meist hierarchisch gegliedert. „Am Ende des Weges steht das Scheitern. Am Anfang steht die strategische Krise“, weiß Wolfgang Teuchner. Um einem Worst Case zum bestmöglichen Zeitpunkt vorzubauen, setzt die WK Tirol auf Prophylaxe. „Je früher ich ansetze, umso mehr Optionen habe ich“, rät der WK-Experte. Ein Pilotprojekt in Landeck zeigt, wie wertvoll der professionelle Blick von außen sein kann.
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Wir sind Partner unserer Mitgliedsunternehmen – in allen unternehmerischen Phasen und nicht nur am Anfang, wo alles hipe, hipp und toll ist, sondern auch wenn die See rauer wird, der Weg steiniger ist beziehungsweise es etwas abwärts geht, stellt Wolfgang Teuchner fest. Der Leiter des Unternehmerservice-Teams der WK Tirol betont damit auch einen Schwerpunkt, dem sein Team und er sich ganz bewusst stärker widmen: Der Prophylaxe.
Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „vor etwas Wache halten“. Selbst wenn Prophylaxe meist mit medizinischen Zielen – Krankheiten gar nicht erst entstehen zu lassen, sie frühzeitig zu erkennen und einer Verschlimmerung entgegenzuwirken – in Verbindung gebracht wird, eignet es sich auch perfekt für die Unternehmenswelt. Denn auch im Leben eines Unternehmens kann das frühzeitige Erkennen von Problemen und die entsprechende Reaktion auf anfänglich leichte Schmerzen Schlimmeres verhindern – und das Unternehmen letztlich auch retten.
„Je früher ich ansetze, umso mehr Optionen habe ich – sprich, da kann ich noch agieren und nach meinem Wunsch verändern“, sagt Wolfgang Teuchner und skizziert auch gleich die negativen Dynamiken, wenn ebendies nicht passiert: „Ab einer gewissen Zeit bin ich nur im Reagieren, da bin ich dann getrieben. Bevor ich zur Getriebenen oder zum Getriebenen werde, wäre es sinnvoll, sich frühzeitig Feedback zu holen, sich den Betrieb analysieren zu lassen und gemeinsam mit den Beratenden zu schauen, wo Optimierungsmöglichkeiten sind.“
Optimierungsmöglichkeiten ausloten
Im Rahmen des WK Unternehmerservice-Angebotes „Strategische Neuausrichtung“ werden diese Optimierungsmöglichkeiten bereits in den Mittelpunkt gestellt. Auf die noch frühzeitigere professionelle Analyse und ein jedenfalls wertvolles Feedback „von Außen“ konzentriert sich auch ein Beratungspaket der WK Tirol, das durch das Projekt „Perspektive Zukunft“ des Wirtschaftsministeriums befeuert wird. „Das Pilotprojekt dazu läuft gerade in Landeck“, erzählt Teuchner. Betriebe werden dabei hinsichtlich ihres Marktes, der Kos-ten, des Personals und der Möglichkeiten analysiert. Teuchner: „Wir gehen ganz aktiv auf die Unternehmen zu und stellen dabei die essenziellen Fragen: Wo stehst du? Wo hast du Potenzial? Wo willst du hin? Wo kannst du hin? Und wo musst du aufpassen, dass du nicht in irgendwas hineinschlitterst.“
Es sind Fragen, deren ganz bewusste und klare Beantwortung eigentlich immer wieder oder eben regelmäßig Sinn machen. Schließlich ist ein unternehmerisches Leben keine starre Angelegenheit und die Wirtschaftswelt ist es noch weniger. Doch der Hang zahlreicher Unternehmer:innen, mehr im als am Unternehmen zu arbeiten, kann – so nachvollziehbar dieser Zugang auch sein mag – den optimalen Veränderungszeitpunkt zu rasch verstreichen lassen.
Andere Blickwinkel
Werden bereits leichte Schmerzen verspürt, etwa weil der Umsatz zurückgeht, die Stammkund:innen verloren gehen, die Rentabilität sinkt oder der Markt sowie das Kundenverhalten sich geändert haben, ist es jedenfalls höchst an der Zeit für eine Veränderung des Blickwinkels, um eventuelle Veränderungsschritte setzen zu können. Wenn die Hand ganz nah vor das Gesicht gehalten wird, wirkt vieles verschwommen und nichts kann scharf erkannt werden. Wird die Hand aber weiter weg gehalten und mit all ihren Details gesehen, gelingt es auch, die unternehmerische Lebenslinie zu erfassen. Und möglicherweise jene Bruchstellen zu definieren, die sie hemmen. „Im eigenen Gedankenmuster, diesem Tunneldenken, festzustecken, kann lähmen. Durch professionelles Feedback bekomme ich aber vielleicht einen anderen Blickwinkel auf ein und dieselbe Sache. Das kann es mir erleichtern, damit umzugehen, etwas Negatives zu erkennen und auch, wie ich es verändern kann“, sagt Wolfgang Teuchner, dessen Team bei der aktiven Prophylaxe-Arbeit in Landeck gerade wertvolle Erfahrungen sammelt.
„Oft sagen die Unternehmerinnen oder Unternehmer, dass sie nicht gedacht hätten, dass so viel dabei rauskommt“, berichtet der WK-Experte aus dem Pilot-Bezirk. Noch basiert sein durchwegs positives Resümee auf seinem Gefühl: „Ich möchte das natürlich sauber machen und das Pilotprojekt evaluieren. Das klingt akademisch, aber ich möchte auf Grundlage einer Umfrage feststellen, was die Erwartungshaltungen waren und was es gebracht hat.“ Liegt das Ergebnis vor, ist geplant, das Projekt auf ganz Tirol auszudehnen, landesweit die entscheidenden Fragen zu stellen und noch mehr das zu leben, was Wolfgang Teuchner betont: „Wir sind Partner unserer Mitgliedsunternehmen – in allen unternehmerischen Phasen.“ Auch wenn die See rauer wird. Oder der Weg steiniger.
Unter dem Titel IHR UNTERNEHMEN FIT FÜR DIE ZUKUNFT MACHEN! profitieren die Unternehmen des WK-Bezirkes Landeck vom exklusiven Pilotprojekt, einem zu 100 % geförderten Kurzberatungsprogramm, das nach eingehender Evaluierung auf ganz Tirol ausgedehnt werden soll. Zum Beratungspaket zählen: Überprüfung des Geschäftsmodells; Analyse von Stundensätzen und Prozessabläufen; Optimierung der Außenwirkung; Verbesserung von Struktur und Ordnung; Zukunftssicherung durch Lehrlingsausbildung; Effektive Personalstrategien. „Das Angebot wird von unseren Betrieben sehr gerne angenommen. Im Herbst 2024 haben wir 27 Betrieben dieses Service zur Verfügung gestellt. Das Feedback ist sehr positiv“, sagt Otmar Ladner, Leiter der WK-Bezirksstelle Landeck, wo jetzt wieder mit den Unternehmensfrühstücken gestartet und das Beratungspaket angeboten wird. „Nach unseren Frühstücken haben wir meistens eine Buchungsrate von 80 %“, so Ladner.
Teufelskreise durchbrechen
Stephanie Zentner ist ganzheitliche Erfolgstrainerin für Führungskräfte. Im Interview mit der Tiroler Wirtschaft spricht sie über die komplexen psychischen Folgen unternehmerischen Versagens und sagt: „Mein Ziel ist es, Führungspersönlichkeiten dabei zu unterstützen, den Herausforderungen des Berufsalltags mit größerer Resilienz zu begegnen.“
Tiroler Wirtschaft: Scheitert oder versagt eine Unternehmerin oder ein Unternehmer kommen zu den finanziellen Herausforderungen auch die emotionalen beziehungsweise psychischen. Was passiert da in der Gefühlswelt der Chef:innen?
Scheitern im Großen weckt Existenzangst. Daher sollten wir uns frühzeitig mit unserer Furcht vor dem Scheitern auseinandersetzen. Oft zögern Menschen, Entscheidungen zu treffen, aus Angst, die falsche Wahl zu treffen. Dies führt häufig dazu, dass Probleme sich vergrößern. Manchmal könnte es genügen, um Hilfe zu bitten, doch die Angst, ausgelacht zu werden oder nicht selbstständig zu sein, steht im Weg. Selbstwert und Selbstvertrauen spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Von klein auf werden wir gelehrt, Fehler zu fürchten. Sie gelten als „schlecht“ und werden negativ bewertet, was tief in uns verankert ist und oft unbewusst bleibt. Diese ständigen Ängste erzeugen Stress, der unsere Entscheidungsfähigkeit erheblich einschränkt – ein Teufelskreis.
Welche Techniken wenden Sie an, um Betroffene aus dem negativen Strudel zu führen?
Es gibt nicht die eine Technik, die für jeden von uns geeignet ist. So vielfältig wie die Menschen, so unterschiedlich sind auch die Situationen, in denen wir uns befinden. Ich vertrete den Ansatz, dass wir uns gerade diesem komplexen Thema ganzheitlich nähern müssen. Gemeinsam ist uns, dass eine solide Basis erforderlich ist. Zunächst muss der Körper optimal funktionieren – Stichwort Nährstoffbedarf und körperlicher Ausgleich bei Stress. Das mag aufwendig erscheinen, lässt sich jedoch ganz einfach und zeiteffizient in den Alltag integrieren, wenn man weiß, wie. Sobald dies erreicht ist, stehen zahlreiche Methoden unter anderem aus dem sportlichen Mentalbereich zur Verfügung, die sich hervorragend auf Führungskräfte übertragen lassen. Welche Ansätze letztendlich passen, muss individuell abgestimmt werden.
Positives Leadership klingt in Situationen höchster Unsicherheit für Unternehmer:innen und Mitarbeiter:innen fast wie ein Hohn. Gibt es so etwas wie ein kleines Einmaleins im Umgang mit den Teams – etwa auch, um einen gemeinsamen Weg aus der Krise zu finden und bestenfalls Neues zu starten?
Ich bin überzeugt, dass positives Leadership die Schlüsselressource sein kann, um in herausfordernden Situationen Neues zu schaffen. Immer wieder die gleichen Dinge zu tun und zu hoffen, dass sie andere Ergebnisse liefern, ist nicht zielführend. Besonders im Umgang mit Fehlern sollten Führungskräfte eine Vorreiterrolle einnehmen.
Es ist inkonsequent, im Team von einer positiven Fehlerkultur zu sprechen, während man sich selbst keine Fehler zugesteht. Positives Leadership erfordert zunächst die Reflexion über das eigene Handeln und den Umgang mit sich selbst, bevor der Fokus auf das Team gelegt wird. Viele übersehen, dass die Arbeit an sich selbst oft die größte Herausforderung darstellt, während es so viel einfacher scheint, auf andere zu zeigen. Doch ohne diese innere Veränderung wird sich letztlich nichts
ändern.
Weitere Infos unter: education.stephanie-zentner.at/lp/starke-chefin