
Neue vergaberechtliche Vorgaben beim Einkauf von Netto-Null-Technologien
Informationen für öffentliche Auftraggeber
Lesedauer: 3 Minuten
Seit dem 29. Juni 2024 treffen öffentliche Auftraggeber grundsätzlich neue Verpflichtungen, wenn sie sogenannte Netto-Null-Technologien einkaufen.
Darunter fallen etwa, Aufträge oder Konzessionen, die eine der folgenden Technologien beinhalten:
- Solartechnologien, einschließlich photovoltaische, thermoelektrische und thermische Solartechnologien
- Technologien für Onshore-Windkraft und erneuerbare Offshore-Energien
- Batterien und Energiespeichertechnologien
- Wärmepumpen und Technologien für geothermische Energie
- Wasserstofftechnologien, einschließlich Elektrolyseure und Brennstoffzellen
- Technologien für nachhaltiges Biogas und Biomethan
- Technologien für Abscheidung und -Speicherung von CO₂
- Stromnetztechnologien, einschließlich Ladetechnologien für den Verkehr und Technologien zur Digitalisierung des Netzes
- Technologien für nachhaltige alternative Kraftstoffe
- Wasserkrafttechnologien
- Technologien für erneuerbare Energie, die nicht unter die vorstehenden Kategorien fallen
- Technologien zum Transport und zur Nutzung von CO₂
- Windantriebs- und Elektroantriebstechnologien für den Verkehr
Die neuen vergaberechtliche Verpflichtungen beruhen auf der Verordnung (EU) 2024/1735 des europäischen Parlaments und des Rates vom 13.6.2024 zur Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Ökosystems der Fertigung von Netto-Null-Technologien und bedürfen keiner gesonderten Umsetzung in nationales Recht.
Grundsätzlich soll die Fertigung von Netto-Null-Technologien in der EU gestärkt, die Abhängigkeit von Drittstaaten reduziert und die Versorgungssicherheit mit diesen Technologien gewährleistet werden.
Anwendungsbereich
Die Verordnung gilt grundsätzlich für alle Vergabeverfahren und Konzessionsvergaben im Oberschwellenbereich, die seit dem 29. Juni 2024 eingeleitet wurden.
Nicht in den Anwendungsbereich fallen bestimmte freigestellte Sektorentätigkeiten in Österreich.
Neue vergaberechtliche Anforderungen bzw. Verpflichtungen
1. Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit
- Die EU-Kommission wird einen Durchführungsrechtsakt zur Festlegung der Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit erlassen (z.B. CO₂-Fußabdruck, Kriterien betreffend Kreislaufwirtschaft (Anteil an recycelten Stoffen, Wiederverwertbarkeit), die biologische Vielfalt, Empfehlungen für einzelne Technologien z.B. Solar- oder Windkraft)
- Die Verpflichtung zur Anwendung verbindlicher Mindestanforderungen gilt bis zum 30.6.2026 nur für Aufträge und Konzessionen
- die von zentralen Beschaffungsstellen vergeben werden und
- für Aufträge bzw. Konzessionen, deren Wert 25 Mio. EUR erreicht oder übersteigt
2. Verpflichtende Zusatzanforderungen für Bauaufträge und Baukonzessionen
Auftraggeber müssen grundsätzlich eine von drei Bedingungen wählen:
- Soziale oder beschäftigungsbezogene Bedingung für die Auftragsausführung (Bedingung könnte ev. schon durch Einhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Bestimmungen ex lege erfüllt sein, besser jedoch eigene Verpflichtung dazu in Leistungsvertrag aufnehmen)
- Anforderung der Einhaltung der geltenden Cybersicherheitsanforderungen
- Vertragliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Lieferung (mit möglichen Vertragsstrafen)
3. Resilienzklausel („Resilienzkriterium“) zur Vermeidung von Abhängigkeiten
Die Verpflichtung zur Anwendung des „Resilienzkriteriums“ ist grundsätzlich an die Erlassung eines Durchführungsrechtsaktes der EU-Kommission geknüpft.
Ausnahmen von den Anforderungen
Öffentlichen Auftraggebern wird ausnahmsweise ermöglicht Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit und verpflichtende Wahl einer von drei zusätzlichen Bedingungen, Anforderungen bzw. Verpflichtungen bei der Vergabe von Bauaufträgen und Baukonzessionen) nicht anzuwenden,
- Wenn nur ein spezifischer Wirtschaftsteilnehmer die benötigte Netto-Null-Technologie liefern kann und es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der fehlende Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Parameter des Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge ist
- Wenn bei einem ähnlichen früheren Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, das von demselben öffentlichen Auftraggeber in den zwei Jahren unmittelbar vor Beginn des geplanten neuen Vergabeverfahrens eingeleitet wurde, keine geeigneten Angebote oder keine geeigneten Teilnahmeanträge eingereicht wurden
- Wenn die Anwendung der Anforderungen den Auftraggeber zwingen würde, Ausrüstungen anzuschaffen, die unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen würden (über 20 % höhere Kosten) oder es zur technischen Inkompatibilität bei Betrieb und Wartung führen würde
Fazit
Die neuen Vorschriften setzen klare Nachhaltigkeitsstandards für den Einkauf von bestimmten Technologien im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen und sollen die europäische Industrie im Bereich Netto-Null-Technologien stärken. Öffentliche Auftraggeber müssen sich auf die Umsetzung der neuen Anforderungen vorbereiten und die kommenden Vorgaben der EU-Kommission beachten.
Detaillierte und weitere Informationen
- Vergaberechtliches Rundschreiben des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) zu dem Thema
- Verordnung (EU) 2024/1735
Stand: 25.04.2025