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Lücken im Händlernetz werden größer

Der stationäre Einzelhandel in den Salzburger Orts- und Stadtkernen benötigt ein Maßnahmenpaket. Das zeigt die aktuelle WKS-Kaufkraftstudie SABE-V 3.0.

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 17.04.2025

Der Salzburger Einzelhandel hat herausfordernde Jahre hinter sich: Auf die Einschränkungen während der Corona-Pandemie folgten kurzzeitige Nachholeffekte beim Kaufverhalten, eine durch die Überinflation ausgelöste Konsumflaute und eine nach wie vor hohe Sparquote.  

Für viele Händler hat sich die wirtschaftliche Situation dramatisch verschlechtert. Das beweist nicht zuletzt die von der WK Salzburg in Auftrag gegebene Studie SABE-V 3.0 der renommierten CIMA Beratung und Management GmbH. „Nach 2004 und 2014 wollten wir wieder mit eine Kaufkraftstrom- und Einzelhandelsuntersuchung eine umfassende Bestandsaufnahme des Salzburger Einzelhandels vorlegen. Die neue Studie zeigt, dass der Einzelhandel seit Jahren auf der Stelle tritt“, resümiert Alexander Schwarzbeck, der designierte Obmann der Sparte Handel in der WK Salzburg. „Die massive Verkaufsflächenexpansion, die in den vergangenen Jahrzehnten an peripheren Standorten stattgefunden hat, und der stark gestiegene Online-Handel führt zu Geschäftsschließungen in den Orts- und Stadtkernen“, betont Schwarzbeck.   

Grundlage für die aktuelle Studie ist eine landesweite Erhebung der Ladengeschäfte durch das Land Salzburg, mit der die Entwicklung der Einzelhandelsstruktur 2017-2022 veranschaulicht wird. Allein diese Strukturdaten weisen - auch ohne Einbeziehung der regionalen Umsatzverflechtungen – klar auf die ernste Lage des stationären Einzelhandels gerade in den zentralen Lagen der Salzburger Orte hin: 

  • Seit 2017 gingen 155 Einzelhandelsbetriebe (-3,1%) verloren, in erster Linie waren es inhabergeführte Ladengeschäfte in zentrumsnahen Baulandkategorien. 
  • Von den 632 in diesem Zeitraum geschlossenen Geschäften wurden 56% in anderer Form weitergenutzt, allerdings blieben 44 % der Geschäftsflächen leer. Etwa 200 leere Geschäftslokale sind seit 2017 in den zentralen Lagen dazu gekommen. 
  • Nur 31% der gesamten Verkaufsfläche von 1,06 Millionen Quadratmetern befindet sich in den zentrumsnah gelegenen Baulandkategorien. Demgegenüber nehmen die Verkaufsflächen in den Handelsgroßbetrieben einen hohen Anteil von 45% ein. 
  • Bei der Zahl der Betriebe ist es umgekehrt: Hier liegen insgesamt 62% der 4.859 Betriebe in den zentralen Lagen, jedoch nur 13% auf Flächen mit Widmungen für Handelsgroßbetriebe. 

Um detaillierte Aussagen über den Einzelhandel in seiner Gesamtheit treffen zu können, bedarf es neben diesen Strukturdaten auch einer Kaufkraftstromuntersuchung. Die SABE-V 3.0 analysiert das Konsum- und Einkaufsverhalten in den Bezirken, die grenzüberschreitenden Kaufkraft-Zu- und -abflüsse, die Dominanz des Online-Handels sowie die Shoppingintensität der Touristen. Nachdem CIMA Österreich diese umfangreichen Berechnungen auch schon 2004 und 2014 angestellt hat können die Entwicklungen im Salzburger Einzelhandel gut nachvollzogen und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.

WKS/wildbild
© WKS/wildbild Im Bild (v. l.): Alexander Schwarzbeck, Obmann-Stv. und designierter Obmann der Sparte Handel in der WK Salzburg, Projektleiter Roland Murauer, Geschäftsführender Gesellschafter CIMA Beratung und Management GmbH und Johann Peter Höflmaier, Geschäftsführer der Sparte Handel in der WK Salzburg präsentierten heute die aktuelle WKS-Kaufkraftstudie SABE-V 3.0.

Kernaussagen der SABE-V 3.0 zur Kaufkraftentwicklung im Bundesland Salzburg  

  • Der jährliche Einzelhandelsumsatz beträgt aktuell 3,51 Mrd. € und liegt nominell um 1% über dem Jahr 2014. Berücksichtigt man die Inflation, ist der Gesamtumsatz aber real um rund 10% zurückgegangen. 
  • 45% der Umsätze entfallen auf Güter des täglichen Lebens (+3%), 29% auf mittelfristige Güter wie Mode oder Sportartikel (-2 %) und die restlichen 26% auf langfristige Güter wie z. B. Möbel. Hier gab es einen Rückgang von 6%.  
  • Die Händler in der Stadt Salzburg setzen nominell 1,12 Mrd. € (-12%) um, jene im Flachgau 870,2 Mill. € (+7,5%), im Tennengau 225,8 Mill. € (-5%), im Pinzgau 623,6 Mill. € (+2,5 %), im Pongau 542,2 Mill. € (+9,6%) und im Lungau 127,5 Mill. € (+12 %). Der Salzburger Zentralraum bindet somit rund zwei Drittel des Umsatzes, ein Drittel entfällt auf die drei Bezirke innergebirg. 
  • Rund 83% der Kaufkraft oder ca. 2,7 Mrd. € bleiben im Bundesland Salzburg. Die Kaufkraftbindung ist bei Gütern des täglichen Bedarfs mit 92% am höchsten. 
  • Die Abflüsse in den Online-Handel haben sich gegenüber 2014 mehr als verdoppelt. Die virtuellen Einkaufswelten binden 407 Mill. €, davon allein 208 Mill. € im Segment der mittelfristigen Güter. Damit hat sich der Online-Handel zum ernstzunehmenden Mitbewerber für den stationären Einzelhandel entwickelt. 
  • Die Kaufkraftbilanz zwischen Salzburg und dem angrenzenden Bayern ist deutlich positiv. Mit mehr als 122 Mill. € liegt der Wert sowohl nominell als auch real höher als 2014. Der Überschuss aus Oberösterreich liegt bei 68,6 Mill. €, wobei dieser Wert real betrachtet um 8% unter dem Jahr 2014 liegt. Die Kaufkraftverflechtungen mit Tirol, Kärnten und der Steiermark spielen nur eine untergeordnete Rolle. 
  • Der Umsatzanteil von Tages- und Nächtigungsgästen sowie von Gelegenheitseinkäufern aus entfernteren Regionen beläuft sich aktuell auf 16% oder 851,1 Mill. €. Diese sogenannten Streuumsätze sind im Lungau mit 42% (53,1 Mill. €) anteilsmäßig am höchsten, in der Stadt Salzburg mit 8% (86,6 Mill. €) am niedrigsten. Von besonderer Bedeutung sind die Streuumsätze bei den mittelfristigen Bedarfsgütern (z. B. Mode- oder Sportartikel) in stark touristisch frequentierten Standorten. 

Der Einzelhandel ist für das Bundesland Salzburg ein wichtiger Wirtschaftszweig, Arbeitgeber und Nahversorger: Die rund 4.800 Betriebe mit über 23.000 Beschäftigten überziehen das Land mit einem dichten Netz an Geschäften der unterschiedlichsten Branchen. „Die SABE-V 3.0 zeigt allerdings, dass dieses Netz immer mehr und immer größere Lücken bekommt. In einigen Regionen reißt es bereits ein“, bringt es Schwarzbeck auf den Punkt. „Wird nicht sofort gegengesteuert, dann werden die Orts- und Stadtkerne sich noch weiter leeren.“ 

Wie die Schließung der Möbelkette Kika/Leiner zeigt, stehen auch großflächige Anbieter unter Druck, „Aus fachlicher Sicht ist es ein Irrglaube, mit noch mehr Verkaufsfläche dem Online-Handel Paroli bieten zu können. Die unendlichen digitalen Warenlager stoßen allerdings an einem Punkt an ihre Grenzen: An der persönlichen Beratung, der besonderen Einkaufsatmosphäre und einem authentischen Warenangebot der Händler vor Ort, die Ihre Kunden kennen“, betont Roland Murauer (CIMA). „Daher muss bei der Bewilligung zusätzlicher Verkaufsflächen auf Qualität und nicht auf Quantität gesetzt werden.“ 

Schwarzbeck ersucht die Landespolitik, ein Maßnahmenpaket für den stationären Einzelhandel zu schnüren, um den Trend der sich leerenden Orts- und Stadtkerne zu stoppen. „An erster Stelle steht, das Raumordnungsgesetz konsequent gegen neue Verkaufsflächen in der Peripherie mit Zentren relevanten Sortimenten anzuwenden. Dazu gehört auch die Korrektur verfehlter Entwicklungen“, so Schwarzbeck. „Es braucht vor Ort Kooperationen, Investitionen und Beratung. Hier bietet sich die WK Salzburg als Partner mit langjähriger Erfahrung in der Orts- und Stadtkernpolitik an. “ 

WKS-Maßnahmenpaket für den stationären Einzelhandel in den Orts- und Stadtkernen:

   1.  Konsequente Anwendung des Raumordnungsgesetzes (§ 14 ROG 2009)

  • Keine Änderung einer HGB-Kategorie in Verbrauchermärkte, Fachmärkte oder Einkaufszentren an raumordnungsfachlich nachteiligen Standorten.
  • Neue oder erweiterte Verkaufsflächen mit zentrenrelevanten Sortimenten nur in Abstimmung eines integrierten Ortsentwicklungskonzeptes.
  • Verkaufsflächenerweiterungen im Bereich des kurzfristigen Bedarfs ausschließlich zur Sicherung der lokalen Nahversorgung.
  • Bei jeglichem Verfahren zur Erlassung oder Änderung einer Standortverordnung ist eine raumverträgliche Mindestbaudichte festzulegen und die Situierung der Stellplätze im Gebäude gemäß § 39 BauTG im anschließenden Bauverfahren sicherzustellen.

    2. Ausarbeitung eines qualitativen Einzelhandelsmasterplans 2035

    3. Ersatzlose Aufhebung der Standort-VO nach Umstrukturierung (je nach Standort Gewerbe, Büro oder Wohnen).

    4. Leerstände reduzieren

  • Flächendeckende Ausrollung der neuen Standortdatenbank durch Erfassung von vermietbaren Geschäftsflächen.
  • Zielgerichtete Beratungsmaßnahmen für Leerstands- und Hausbesitzer, um entsprechende Erneuerungsinvestitionen auszulösen (SIR).
  • In Anlehnung an das Stadt-up Projekt Bischofshofen sollen weitere Projekte in Orts- und Stadtkernen unter finanzieller Beteiligung der WKS, des Landes und der jeweiligen Gemeinde umgesetzt werden.  

    5. Erhöhung der Frequenz in den Ortskernen durch zusätzliche Wohnbevölkerung

  • Offensive Anwendung der neuen Ortskernregelung in der Wohnbauförderung gemeinsam mit den Gemeinnützigen Bauträgern (§ 11 Abs 5 WFV 2025).
  • Verstärkte Einrichtung „nutzungsneutraler“ Erdgeschoßzonen zur Behebung von Mängeln in der Versorgungsstruktur (§ 14 WFV 2025). 

Bilddownload (©WKS/wildbild):

Foto 1: Im Bild (v. l.):  Alexander Schwarzbeck, Obmann-Stv. und designierter Obmann der Sparte Handel in der WK Salzburg, Projektleiter Roland Murauer, Geschäftsführender Gesellschafter CIMA Beratung und Management GmbH und Johann Peter Höflmaier, Geschäftsführer der Sparte Handel in der WK Salzburg präsentierten heute die aktuelle WKS-Kaufkraftstudie SABE-V 3.0.